Liebe, du nicht
Liebe, Liebe,
du hast es nicht getan: es war nicht dein Wille:
Mit Flut die Welt ertränkt, seine Folter am Kreuz,
die Kinder, die Unschuldigen, Krebs und Aids,
die Schwangeren. es ist nicht dein Wille.
Liebe, Du warst nicht im Urlaub:
du nicht. 1933 bis 1945
Gefoltert Hiob.
Verlangtest nicht
das Sohnesopfer von Abraham
Hölle – nicht deine Idee
Ein Treffen mit Gott
Gestern traf ich Gott. Er ging auf der anderen Straßenseite. Er trug eine mittelbraune Cordhose und sein rosafarbenes Hemd und weiße Bootsschuhe dazu. Er winkte mich zu sich herüber.
Guten Tag Frank, sagte er. Guten Tag Gott, sagte ich.
Er lächelte. Aber ich kenne ihn schon länger. Er kann sich vor mir nicht verstellen.
Was macht deine Sache, fragte er. Ich sagte, es geht nur schleppend voran, leider. Er fragte, ob ich nicht mal eine Aktion machen könne: Aktion gegen Religionen oder Aktion Gott gegen Religionen.
Und dann: Ob ich ihm eine Zigarette anzünden könne. Ich nahm eine aus der Schachtel in seiner Hemdtasche und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Dann zog ich das Feuerzeug aus seiner Gesäßtasche und zündete sie ihm an. Es war eine Phillip Morris.
Ich sah zu, wie er rauchte. Er tat tiefe Züge, Lungenzüge. Zum Abschied hab ich ihn dann wie immer umarmt. Sieh dich vor, hat er noch gesagt. Und dabei gelächelt. Aber ich wusste, es war kein richtiges Lächeln. Er kann sich vor mir nicht verstellen. Dazu kennen wir uns schon zu lange.
Er ging in Richtung Hafen.
Sirius II
Also weißt Du, fliegerisch n Klacks, musst nur zuletzt schön drosseln, so auf Mach 1, dann seicht nach links und dann runter, n Klacks. Und: Wie sie gesagt haben, Sauerstoff - Atmosphäre, allerdings nur bis Höhe 2-3 Meter. Anderthalb Bar, also nich schlecht. Chlorophyll is nich, dafür alles son violettes Kraut, etwa wie Heide, nur viel dichter und violetter. Und: Lebewesen, genau wie die gesagt hatten von der L17. Wenige, nur eben diese komischen einsachzig großen hellgelben Wichte, 3 Beine, verstehtst Du, also für uns was völlig ungewohntes. Aber: Sprache, eindeutig Sprache, und auch codierbar, relativ einfach sogar. Kinder kriegn da die Männchen, und zwei Frauen müssen die gleichzeitig befruchten, also komplett anders als hier. S gibt auch keine Dörfer oder Städte, wohnen in Erdhaufen wie de Ameisen, aber nun kommts: Psychologisch hochinteressant und merkwürdig, haben auch Religion, ja so würd ich sagn. Gibt Exemplare, dien bischen größer sind und nich gelb, sondern violett, eben wie dieses Kraut überall, erzählen den hellgelben, wenn die noch Kinder sind, von zwei Göttern, deren sechshundert Gebote peinlich eingehalten werden müssen. Wenn nicht, gehts ab in so ne Art Hölle. Gott A, nenn wir ihn mal Gott A, frisst die „Sünder“ auf, Gott B brät sie aufm Art Feuer, kein richtiges Feuer aber s muss auch weh tun, is sone Art Flüssiggas, sagn se. Und sie erzählen den Kleinen, das dies Gebrate 77 Jahre dauert, ab Tag X, verrückt, und das allerdings Tag und Nacht, sozusagen n Dauergebrate. Und die violetten kenn n paar Tricks, das Gebrate trotz „Sünden“ zu vermeiden, sie erzählen die Tricks aber nich überall frei rum, so ohne Gegenleistung. Na ja, eine Hand wäscht die andre. Und n paar Kinder kriegn natürlich Schiss, ne Macke, weil sie nich alle sechshundert Sachen eingehalten haben und die kriegn ne tüchtige Macke und kommen inn extra Bereich rein, alles unterirdisch. Und den „drei Eltern“, oder wie ichs sagen soll, wird erklärt, s wär was schiefgegangen bei der Befruchtung, zu schnell oder zu langsam seis gegangen. Also psychologisch kompletter Irrsinn, die Violetten ham sone Art Zettel und zeigen die den Kleinen und auch mit Bildern und so, wies Braten genau gemacht wird, is schon abartig, also is schon exotisch und skurril und psychologisch hochinteressant und ich muss sagen, hat sich mal wieder die Mühe gelohnt, hast Recht gehabt, ich dank Dir.
Dein Willi von der L 21
Die Sünden des Noah
Nimm ihn mit,
meinen Sohn Elias.
David, meinen Sohn.
Nimm sie mit.
Meine Tochter Sarah.
Rahel, meine Tochter.
Ismael, den Sohn meines Sohnes.
Jakob, Aaron.
Die Tochter meiner Tochter
Hanah, Suni, Mirjam.
Nimm ihn mit,
den Sohn des Sohnes des Sohnes
Lotan, Joseph, Gidon, Enos,
Bethnel, Elisa, Kanaan, Nimrod,
Lasa, Sodom, Rebecca, Eber,
Mesa, Sarai, Tharah, Bela,
Escol, Mamre, Isaak, Hagar,
Michael, Zion, Ohad, Nathan.
Die Sonne
Wintersonne,
scheint Dir ins Gesicht,
direkt ins Herz.
Gibt ihre milde Wärme,
taut alles auf, was kalt ist,
trocknet alles, was geweint hat
in langen Nächten
Die Tochter
´S kommt der Heilige Tag, die Tanten ziehn dich aus, waschen dich, oben und unten, waschen dich, oben und unten, waschen dein Haar, waschen den Dreck von dir. Kleiden dich ins Weiß, in weißen Tüll, der Herrgott soll n schönen Anblick ham, weiße Socken, Söckchen, die Kommunionskette mit dem Jesus dran am Kreuz, die Kette sie zieht schwer, ist ja auch aus Eisen, bist ja auch mit Schuld an seinem Tod, mit Schuld dran.
Erstmal beten, mit den Alten, beten kann nie schaden, gerecht bist du Herr und gerecht dein Gericht, bist gerecht, warst es auch immer, auch damals, und wahr, drum flehe ich zu dir in Demuth, dass du mir nicht tuest nach meinen Sünden, die deine Strafe verdienen, erbarme dich meiner, ich bekenne dir meine Ungerechtigkeit und verschweige nicht, wie die Sünde auf mir lastet, strafe mich und züchtige mich, aber vergib mir, strafe mich, aber lass mich nicht verloren gehen in der Hölle, barmherziger Gott, unerträglich ist dein Zorn für alle mutwilligen Sünder.
Pass auf! ´S ganze Kleid vollgekotzt, du blödes Ding.
Zeichen
Sie erkennen sich, wie - ich weiß es nicht, wie sich Hunde erkennen, außm gleichen Zwinger, geschlagene, gequälte, frei dann, freigebissen, frei, sie erkennen sich an den Augen, wie Steine nach Regen, an den langsamen Augen, die nicht gleich hochschaun, erst warten, verharren, den kleinen Moment zögern, den kleinen Moment, der über alles entscheidet, übers Glück und übers Leid, das langsame Heben des Kopfes, ein Anheben des Kopfes, des Nackens, der langsame Blick nach links, hin zum Glück oder zum Leid, der Versuch, zu erkennen, ein schnelles Abtasten, ein schnelles Suchen, was echt sei, was falsch ist, der andre weiß, es sind Steine nach Regen, die er sucht, schon immer sucht, schon lange, das langsame Heben des Kopfes, den Blick nach links, das gleiche Zeichen, eingebrannt.
Der stumme Sohn
Hundert Leide, tausend Feuer
doch wenn dich die Flamme sticht,
mein Kind, warum weinest du mir nicht
Ist die Welt dir ungeheuer?
Sind des Rosenkranzes Perlen zart
Dir nicht einzeln Träume ewger Wonnen
Ist dein Gott dir nicht gesonnen
Dünkt dir die Ewigkeit zu hart?
Friert dir nicht im Wintersturme
Brennt dir nicht der Wüsten Sand
Stummer Sohn, wo ist dein Blick
Wo find ich dich in deinem Turme
Sind seine Mauern dein Geschick?
Der Liebe Wonnen und der Blüten Glanz
Was wir der Erde Glück benennen
Sind sie dir ganz zerronnen
Sollst du sie niemals kennen?
Der Autist Justin
Irgendwann lehnte er Sprache ab. Sie war für ihn wie ein Messer , eins das man in die Brust steckt und ein paar Mal rumdreht und gleich drin lässt fürs nächste Mal, für die nächste Woche, fürn nächsten Sonntag. So lehnte er Sprache ab. Er lehnte eigentlich nur ab, sie zu hören. Das selber nicht sprechen: es kam automatisch. Justin wollte auch seine eigene Sprache nicht hören, nicht mal die eigene. Autisten wollen ihre verdiente Ruhe. Und keine Sprache mehr:
„Sünder, Sünderkind, trink dies aus, es ist das kostbare Blut Jesu. An seinem Tod, am Tod am Kreuz, trägst du die Schuld, an seinem Foltertod am Todeshügel. Jetzt iss sein Fleisch, sein Totenfleisch, an dem sie klebt, deine Schuld. Iss das Fleisch deiner Schuld, auf dass dir so, auf diese Weise, Gnade sein kann, wenn dann der lebendige Tote ein gutes Wort für dich einlegt beim Herrn, am Tage des Jüngsten Gerichtes. Einlegt für dich: Missetäter und Mittäter auf dem Berg Golgatha. Ein gutes Wort einlegt bei Gott dem Herrn, welcher gerecht ist. Gerecht ist für dich das ewige Feuer, der ewige Tod im Feuer, der du die Nägel einschlugst, mit jeder deiner Sünden erneut einschlugst, die am schlimmsten zugerichtete Leiche aller Leichen zurichtetest. Die Hölle ist deine Gerechtigkeit, denn Vergebung ist die fast zu große Gnade. Und merke das Gebot: Du sollst nicht töten, du sollst nicht foltern, zu Tode foltern, besonders das Krippenkind nicht, das wehrloseste Kind, das heiligste Herz nicht, zur Weihnacht lag es dir noch im Arm: Deines Gottes Kind, das heilige Kind. Drum bete und hoffe. Und knie hin und hoffe. Und büße und hoffe und sei still. Sei still hier im Hause Gottes. Sei still!“
Wende
Gelbe Blätter warf ich zum Mond
weiße trug ich der Sonne zu
Durchs feuchte Gras
gen Norden übers Eisan die Seeklippe
zum Süden übern Sand
zum Ende
Station macht ich
Sie brachten Honig und Milch
und klares Wasser
Der lange Weg
Rote Blätter holt ich vom Mars
Zog mit den Falken
die die Brände
überfliegen
die die schwarzen Vögel
vertreiben / töten
im Abflug packen
Roter Mohn wird wachsen
und rotes Tuch gewebt
Wunden zu wärmen
verheilte
Die blinden Möwen
Ihr Silbermöwen, wir Kinder sprechen euch, verstehn euch, begreifen,
rudern zu euch auf die Bänke bei Westwind, seid alt jetzt,
ihr Möwen vom Silbersee.
Meere und Berge und Täler und Gutes und Böses habt ihr gesehn
und kennt das Warum.
Blind sagt ihr, seid ihr jetzt, und wir weinten
und ihr habt gelächelt, könnt fühlen den Wind umso mehr
und das kalte Licht der Monde in der Nacht.
Könnt hören umso mehr `s verirrte Rufen,
`s verwirrte Kinderrufen von den Klippen beim grauen Haus.
Haben kein Hindernis in den Lüften, sagt ihr
und finden euch in der Nacht und Leon,
dem wirs Mohnblatt bringen jede Nacht.
Und bringen die unruhigen Träume in die Hallen
und die kalten Dome und in die weißen Häuser am Strand
Deya
Kühler Wind
in deinem blauen Haar
Gischt entkommt dem Meer
Pinien klammern am Stein
Felsgeschichtete Mauer
Noch Teer der Zeit
auf deiner blassen Haut
Qual der Winterjahre
Geschmack bezahlter Angst
Du stehst auf und gehst
Im Dorf hängt Rauch
Bewässerte Rosen
Stiller Duft von Staub
Die ersten Kirschen lächeln
Liegen warm in deiner Hand
Hältst fest des Südens Trost
Über den Wolken
Doktor, als Kind wars schön, dies stille Gebet in der Nacht, wo Hans so krank war, wo ers so schwer mit dem Magen hatte damals, dies Gebet, er möge helfen, s war Hilfe für mich in der Not - und Hilfe für mein Kind , s wär schad, wenns nicht son Gott hätte, was meinen Sie, Doktor.
Ja, ist schön fürn Kind, immer jemand zu haben - auch wenns alleine ist, immer jemand haben zum danken und bitten, s Kind sollte nur wissen, dass er nich immer helfen kann, auch wenn ers möchte nich immer kann, unds Kind sollte auch wissen, dass Gott die Liebe ist, stark und manchmal schwach, wie die Liebe nun mal ist, und dass sie in jedem Menschen ist, mal mehr, mal weniger, und dasses Kind immer einen Menschen bitten kann in der Not und weiß, es ist dann auch immer Gott, den man da bittet, die Liebe im Menschen, Gott im Menschen, und das kann ja auchn Trost sein, und vielleicht ist die Hilfe dann auch greifbarer, die Gotteshilfe, wenn sie vom Menschen her kommt, greifbarer als ne Hilfe von einem zwar nahen, aber doch so fernen Gott, einem Gott in den Wolken, über den Wolken.
Die Weisen
Die sie die Weisen nannten
waren unterm Haus
der Demenzkranken untergebracht
Es gab drei Zimmer
von denen meist eines oder zwei
besetzt waren
Bettzeug, das man zu Stricken
zerreißen konnte
und Metallgegenstände
waren unzulässig
Nachts konnten die Luken
geräuschlos verschlossen werden
Gespräche mit ihnen
durften die Pflegekräfte
und wir Assistenzärzte
nicht führen
und waren den Sicherheitskräften
vorbehalten
Das Gedicht
Sie sagen, es sind Verbrecher
Ich sage, es ist von der Angst
Sie sagen, sie sind feige
Ich sage, es ist ihre Angst
Sie nennen es Autismus
Ich sage, es ist nur diese Angst
Sie nennen ihren Gott
„die wahre Liebe“, „die reine Gnade“
Seinen Sohn einen möglichen Retter
Ich sage, es ist der Gott Sodoms,
der Gott ihres Feuers, der Gott ihrer Hölle
Sie nennen es Religion
Ich sage, es ist Herrschaft
und die Währung ist hart
Es ist das Geschäft mit unserer Angst
„Wir machen Dir eine große Freude“
So besingen sie einen weinenden Gott.
The poem
They say: They are criminals
I say: It´s from fear
They say: It´s cowardice
I say: It´s from fear
They say: It´s autism
I say: It is just from fear
They call their God the true love
I call him the God of Sodom,
the God of hell and fire
They say: It´s religion
But it is just might and easy money
It´s a business with that kind of fear
They say: “We give you great pleasure”,
but they sing to a weeping God.
Anna hängt sich auf
Anna war knapp acht,
da gab Mutter sie das erste Mal in der Kirche ab.
Sie war ein Kind der Liebe.
Sie bekam nie Hiebe.
Pastor Heuer erzählt ihr die Sintflutgeschichte:
„Anna, das ist eine große Hoffnungsgeschichte,
denn in der großen Wassernot,
erspart Gott Noah den Ertränkungstod.“
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.
Von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.
Die nächste Woche der Pastor erzählt,
was unsre Anna noch mehr quält,
wie Lots Frau aus Sodom rannte,
sich umsah und sah, wie ihre Stadt verbrannte
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt,
von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.
Sie dachte an das Flammenmeer.
Sie sagte den ganzen Tag nichts mehr.
Die nächste Woche die Mutter wartet,
sie hatte Anna um vier erwartet.
„Trink sein Blut“, hat er gesagt, der Pastor Heuer,
„dann kommst du in den Himmel und nicht ins Feuer.“
Und dann hat der Pastor noch angefangen,
der am Kreuz sei für Annas Sünden ans Kreuz gegangen.
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.
Als man sie fand, da war sie schon kalt.
Der Engel
Mein kleiner Engel -
hatte der Vater immer gesagt.
Blond war sie wien Engel,
hat auch der Pastor gesagt.
Eines Tags hat der Engel geweint.
Wies scheint,
hat sie der Pastor getadelt,
sie habe Christus mit angenagelt.
Sie habe angefangen und
Sünden begangen.
Deshalb sei Christus gekommen
und habe s Kreuz auf sich genommen.
Dann lebte der Engel wie du und ich,
und dachte an andre und nicht an sich.
Sie wurde der liebste Mensch der Welt,
ihr zählte nicht Ehre und nicht das Geld.
Mit dreißig wurde sie von Sinnen,
sie schrie ganz laut und hörte Stimmen.
Mit vierzig ihre Mutter seufzt,
sie hat sich aufgehangen, in einer Kirche,
an einem Kreuz.
Andreas hat er geheißen
Andreas war ein stilles Kind,
so still, wie man nur wenge find.
Seine Schwester war im Meer geblieben,
das war auf Borkum, da war Andreas sieben.
Andreas kannte Adolf Hitler genau.
Andreas Vater sagte: „Hitler war ne alte Sau,
Opa Willi und die Juden hat er vergast.“
Andreas hörte das und wurde blass.
Dann kam der Pfarrer und hat geklingelt,
von Tür zu Tür ist er getingelt:
„Andreas braucht, das weiß ich schon,
um ein guter Mensch zu werden, die Kommunion.“
Zur Kirche ging er dann,
unser Andreas, der kleine Mann.
Da erzählte der Pastor vom Sodomfeuer,
Andreas stand auf und rief: „Gott ist ein Ungeheuer.“
„Wie kann nur Gott die Juden verbrennen,
und lässt nur Lot aus dem Feuer raus rennen,
dieser Gott, und das ist kein Spaß,
er ist gemeiner als Hitler mit seinem Gas.“
Da sind Pfarrer und Gemeinde aufgebraust,
sie riefen: „Raus hier Andreas aus diesem Gotteshaus.
Gott mit Hitler zu vergleichen,
das ist Sünde ohnegleichen.“
Der kleine Andreas lief weinend raus,
raus aus diesem gottlosen Gotteshaus
Bis zur großen Eiche ist er gekommen,
da hat er sich einen Strick genommen.
Wo sind die Opfer
Du fragst: Wo sind die Opfer?
In den Wohnungen des Todes
Und wo sie erzählen
vom Weltertränker, Verbrenner,
Kinderlebendigverbrenner
Deinen Kindern
Wo sind sie?
In Hiroshima, im fallenden Tower,
im brennenden Bus
Und wo sie erzählen
vom Gedankenleser der Sünden
deinen „sündigen“ Kindern
Wo sie ihnen seinen „Sohn“ offenbaren,
sein Feuerquälen offenbaren
sein Tag – und Nachtquälen
sein von Ewigkeit zu Ewigkeit Quälen
Wo sind sie?
Hinter Glas, aufgedunsen
Bewacht, eingeschlossen
Gefesselt ans weiße Metall
Gott kotzt
Gott kotzt erst mal richtig
wegen seiner Anbetung
habn einen angebetet
der er gar nicht war
rumgerutscht auf den Knieen
habn die Hände gefaltet
habn einen Erdertränker angebetet
einen Gomorrha – Verbrenner
Judenkinderlebendigverbrenner
Hund- und Katzenverbrenner
Sohnimstichlasser
Krebspatientenimstichlasser
Aidspatientenimstichlasser
Bin doch die Liebe und kein Hitler
ruft er und kotzt erst mal richtig
und möchte die nächsten hundert Jahre
auch nicht mehr angebetet werden
Der Waldsee
Du Tod bist ein Waldsee
Moosteppich kühlst meine Haut.
Flimmerndes Licht durchs Laub.
Blaue Blumen wie Veilchen.
Trinke Dein Bachwasser.
Im Mondlicht schickst Du die Berglöwin.
Die allwissende Getreue.
Kann ruhig liegen
die lange Nacht
an ihrer Seite.
Zwei Pfade ziehen
zu Deinen Ufern.
Du leitest mich zur Brücke
von den Spinnen gewebt
an Herbsttagen.
Beim Traumatologen
„Sie haben sich mit Leibeskräften festgehalten am Boot, an der Reling, Männer und Kinder und Frauen, wir hatten viel Schlagseite. Alle, alle wollten rein, warn wie hysterisch gewesen, hatte Riesenkräfte entwickelt, selbst die Kinder. Krochen die Planken hoch wie die Ameisen, wir konnten nichts andres tun, haben mit Planken auf die Hände geschlagen und mit den Rudern auf die Köpfe. Selbst Tiere versuchten hochzukommen, am schlimmsten warn die Ratten und die Katzen. Bis eine Katze tot ist, ´s ist unglaublich, bis ne Katze tot ist.“
„Wir müssen für heute Schuss machen, Haikal, wir sehn uns dann in der kommenden Woche.“
P.S. Haikal = die Ehefrau Noahs
Am langen Fluss
Ein Kind es spielte leise Ein Kind es spielte leise
Am schwarzen Neckarfluss am schwarzen Neckarfluss
Und schaut auf stille Weise Herr richte meine Reise
Und der Morgentau am Fuß die ich jetzt gehen muss
War kalt wies Moos doch schenk mir Sünder Gnad
Vater, wo ist deine Hand Es schaut den schwarzen Turmbau
Die Wärme deiner Wange Gott sieht und hört mein Tun
Kaum hab ich sie gekannt wie sind die Wolken
Wie ist die Welt mir bange nur Gutes will ich tun
Wie ist die Angst mir kalt doch schenk mir Sündlein Gnad
Oh Gott, gib du mir Segen Und heute ich dir schwöre
Vergib mir diesem Kind bei meines Glückes Freud
Beschütz du mich im Leben mein Leben dir gehöre
Auch wenn wir Sünder sind morgen und auch heut
Doch straf mich nicht so kalt denn kalt ist es im Moos
Gedicht über den jungen Hölderlin
Im Gedenken an Nietzsche:
Sein letzter Kampf
Den letzten Kampf, den schwersten, Wir sind nun stärker
ihn musstest du verlieren, denn dein Arm,
du kämpftest ihn zu früh, denn viele stehn im Glied.
konntst dich in ihm nicht wehren. Wir stehen eng und warm,
wos in den Kampf uns zieht
Wir kennen sie schon lange,
in unsrer Leber verkrochen, Auch er, der wahre Gott,
die schwarze Totenschlange, steht jetzt zur Wehr,
im Hirn den tödlichen Rochen. gelöst von Ketten Pein.
Er ist das warme Herz in dir,
Du tötetest den stärksten Gott, kann dir kein Feind mehr sein.
den schlimmsten aller Götter,
den schlimmsten aller Sünder,
der verbrannt, ertränkt, ganz ohne Not,
die Frauen und die Kinder.
Ein leeres Nichts hast du getötet,
und doch ein Bollwerk ohnegleichen,
unds Denken an der Hölle Qual,
es konnt in dir nicht weichen.
So gib das Schwert mir, tapfrer Mann,
ich will es gut verwalten,
so gut ich eben kann.
Der richtge Gott wird zu mir halten.
Des Wahnsinns harte Hand
strafte dein Unterfangen,
hart wie der Ziegel Wand,
voll Irresein und Bangen.
Die Titanen
Er ist doch kein Titan, sagte Leon
und ich lachte
Ich traf so einige
auf den weißen Fluren
wenn er sie nicht gerade fesselte
ans weiße Metall
und seinen Adler schickte
Die Götter mögen keine Titanen, Leon
Sie wollen nicht,
dass jemand den Menschen Feuer schenkt
denn mit Feuer überleben selbst die Schwachen
den kalten Winter im Kaukasus
Sie wollen grausam sein, unsere Götter
Wenn sie jung sind
erkennst du Titanen an den Wunden
wenn sie älter werden, an ihren Fragen
wenn sie noch älter sind, an ihrer Kritik
Warum Jahwe,
hast du den ersten Holocaust
an Juden gemacht
warum die Kinder
nicht vorher aussortiert
auf der Rampe von Gomorrha
Warum hast du Hitler gezeigt
wie es geht
Wenn sie alt sind
erkennst du Titanen am Spott
wie sie die Götter verspotten
Wenn sie weise werden
und wissen
es gibt keinen Zeus
wird ihr Handeln weise
Wenn sie tot sind
haben sie ein kleines Loch im Rücken
Vorsichtige Anfrage
Steht das kleine Kirchlein an der alten Straße noch
Schützen noch die alten Eichen seinen hölzern Turm
Rankt der rote Rosenstrauch noch friedlich am Gemäuer
Halten die alten Ziegel noch im Wintersturm
Kommt der alte Pastor noch im schwarzen Kleid
Predigt euch von Sünde, Strafe und von Gott,
der als Richter war die Menschen leid
und ertränkt sie in der großen Flut
Wie er entzog den Menschen seine Gunst
Voll Zorn und Rache dann durch Sodom rannte
Und die Kinder auch verbrannte - in der Feuersbrunst
Und keine Gnade kannte, und keine Liebe
Macht der Pastor Gott noch immer schlecht
Sagt er immer noch so jemand sei gerecht
Steht der alte Pastor noch im schwarzen Kleid
Gibt er den Kindern noch den giftgen Trank
der Schuld – am Sonntag um die frühe Mittagszeit
Macht er immer noch die Seelen ihnen sterbenskrank
Rankt der rote Rosenstrauch noch friedlich
Wär mein alter Platz im Kirchlein noch immer frei
Singen unsre Kinderlein im Garten noch so schön
Läd die alte Bank zum sitzen mich noch ein
Der kranke Vater Florian, Autist, 11 Jahre
Mein Gott, willst Vater sein der Väter
Willst lieben mich ohn Unterlass
Und doch bist du der Sintflut Täter
Bestehst doch nur aus krankem Hass
Mein Gott, willst Vater sein der Väter
Mich lieben ohne Unterlass
Und bist in Sodom doch der Täter
Lebendig Kinder brennen ist dein Spaß
Verbrennst auch unser Kinder Leiber
Feuer ist dein liebster Mord
Verbrennst auch unschuldige Weiber
Die Hölle ist dein liebster Ort
So, lieber Gott, so lass mich gehn
Ich hoffe auf den seelgen Tod
ich will werden schizophren
Dein Zorn ist meine Not
Weihnacht
Wenn andre sangen,
war für manche der Tag verhangen.
Für die wars Kind geboren, auserkoren,
geboren zu werden, fürs qualvolle Sterben.
Wenn andre sangen,
warn viele schon bedrückt,
wenn die Glocken erklangen,
wenn die andern warn entzückt.
Geboren und dazu erkoren,
den Tod zu sterben in der Nacht,
den ein Gott hatte eigentlich uns zugedacht.
Um ja nur ein Opfer zu haben,
wie die Pastoren uns sagen.
Sie sagten uns, unser Gott sei zufrieden,
mit der einen Qual, mit der Sohnesqual,
drum schenke er uns hinnieden,
unsrer Seele den „Frieden“.
Nun sag ich für unsre Kleinen,
die in der Seele zur Weihnacht weinen,
heut wolln wir Gott auch beschenken,
indem wirs denken: das Vater hast du nie gemacht,
was die Kirche an Gedanken dir zugedacht.
„Gottes“ Hölle
Als sich ihr Unbewusstes
erste Mal bewusst wurde,
ihr Leib kommt in die Hölle,
ins Feuer, verwandelte es sich
in einen einzigen Schrei.
Im ganzen Irrenhaus war er zu hören.
Das zweite Mal
war es lediglich eine Kreuzigung.
Das dritte Mal
war es lediglich Entsetzen.
Das vierte Mal
ging sie freiwillig,
dieses Entsetzen näher zu studieren.
Eines Tages kam dann dieser Gott.
Da hat sie ihn nur ausgelacht.
Er verzog sich.
Voller Scham
Für immer (in Memoriam Patient O.)
Für immer sprach der Pastor da,
zum kleinen Kind vor dem Altar.
Für immer wird die Warze weg sein,
die Heilerin, sie möchte gut sein.
Doch überdenke, kleines Kind,
dort hinzugehen, war große Sünd.
Für immer mag die Warze weg sein,
doch der Teufel wird nun für immer
in dir drin sein. Und dich in
seine Hölle mitnehmen.
Für immer, dachte unsre Anna da,
vor den dunklen großen Altar.
Für immer, auch in Ewigkeit.
Für immer und für alle Zeit.
Mit dreißig ist die Depression gekommen,
hat Anna in die Pflicht genommen.
Für immer, dacht ihr Herz beklommen,
da hat sie´s Leben sich genommen.
Dies erzählte mir ihr Mann,
der´s immer noch nicht fassen kann
Ein Stück TNT
In typischer Weise war sie am Handgelenk festgemacht. Die Kette und der Ring waren aus Stahl und seit Jahren war der Ring zu eng. Die Haut durchgescheuert. Wo sie den vielen Stahl her hatten, wir wissen es inzwischen. Sie war noch in recht frischem Zustand, Wasser und Brot hatte sie genug gehabt. Aber die Augen waren schon flatterig. Zwischen ihm und den weißen Bergen gingen sie unentwegt hin und her. Sie wusste, dass er kam. Sie erkannte ihn an den Narben. Sie wusste, was passieren würde. Sie sprach nicht, wieder nicht. Eine von den Vielen, die nicht sprechen und ihre Sprache hatte er sowieso nie recht verstanden. Sie sprach nicht. Entweder aus Angst nicht, oder weil man auch ihr die Zunge rausgeschnitten hatte. Auch über ihre jetzige Angst sprach sie nicht. Sie schaute auf die Berge und auf ihn. Das TNT war etwas feucht geworden, aber genug trocken war es. Am großen Ring klebte er es an, eine große Portion. Er wusste, es war die sichere Portion. Der Ring würde wegfliegen und irgendwas von ihrer Hand würde wegfliegen, und auch sie wusste es. Und auch ein Stück Liebe zur Kette würde wegfliegen, das wussten beide, er hoffte, die ganze Liebe, alle Liebe zur Kette. Er konnte zwar begreifen, aber er wollte es nicht begreifen. Irrsinn, eine Kette zu lieben, dachte er noch, hatte es immer gedacht. Irrsinn, die zu lieben, die einem die Zunge rausschnitten oder einen verrückt machten oder beides. So war er ganz ruhig. Und sie sprach nicht, nicht über ihre Angst, was passieren würde, mit der Hand, und mit der Liebe. Was das Vakuum füllen sollte. Sie war dann aber ruhig, beruhigt. Beruhigt, wie routiniert er es machte, ohne Zweifel jetzt. Ganz mechanisch, wie einer, der nicht mehr überlegt, die Überlegungen abgeschlossen hat. Der sich ganz auf das Wesentliche konzentriert, der weiß, was er tut. Er kommt über den großen weißen Berg, dachte sie noch, und er schwankte dort oben. Es war aber nicht der Tod, es war die Qual ewigen Sterbens.
Das Lied eine Rückführung
Ich bin nicht sanft
Nenn mich nicht Kamille.
Die Tochter der weißen Löwin
Des Kampfes Schlacht mein Wille
Des Gegners Fall Gewinn
Statt sanfter Liebesnächte Pracht,
Zeig ich dir die dunklen Dome,
ihr Feuer und des Blutes Macht,
Der Kinder Angst und Frone
Die Hölle, die dein Geist verlacht,
Brennt ihnen schwarz im Innern
Das Grauen in der Taufe Nacht
Ich komm, Dir´s zu erinnern
Sünd und Schuld, des Domherren Lied,
Dem folg ich ohne Rast
Wo´s Kinder in die Höllen zieht
Wo du als Kind geweinet
hast
Das Schema
Überlassene Hoffnung, ausgeliehen
bist nicht umsonst
Dornenbrot, anderes gab man Dir nicht
verlorenes Lachen
nahmst ein Elend für das andere
Sterben im Takt des Schemas
Kontrollgang ans Ende
Neonflure tauschtest
gegen den weiten Wind
Hattest nicht einmal die Wahl
trafst ihn nicht der sagte
geht nur, trink den Wein ohne Hast
und wenn Du müde bist dann kommt.
Ingeborg
Roter Stein
letzter Flug
ins Nichts
und so schwer
für Dich
Harter Stahl
an Deiner Stirn
letzter Freund
und Feind
für Dich
Verdammte Angst
zu erwachen
und zu leiden
bittrer Trank
für Dich
Letzter Weg
und keine Hand
in Deinem Haar
und kein Wort
für Dich.
Ende