Double bind Kommunikation und Gott - ein Weg in die Psychose


Double bind Kommunikation und „Gott“ –  Wege in die Psychose    von Frank Sacco

 

Sehr auffällig ist für Nichtpsychiater eine nahezu durchgehende intensive Gläubigkeit bei Schizophrenen. Psychiater bemerken das allerdings - wie so vieles -  nicht. Doch schon Nietzsche schrieb, bereits ein flüchtiger Gang über die Flure einer Anstalt führe zu der Erkenntnis, dass der von den Kirchen vermittelte Glaube, und damit Gottangst die Ursache der dortigen Erkrankungen ist. Wer ewige Verdammnis predigt, der erntet Angsterkrankungen.

Bateson entdeckte nun spezifische Kommunikationsmuster innerhalb der Familien, in denen Schizophrenie auftrat. Er nannte es die Double bind Kommunikation. Es meint die Bindung eines Kindes an zwei nahezu zeitgleich versandte, aber  unterschiedliche, ja sich sogar widersprechende Botschaften bzw. Forderungen der Erziehungspersonen an ein Kind. Das kann verbal oder averbal geschehen. Ein Beispiel: Die Erziehungspersonen, in der Regel ja die Eltern,  züchtigen das Kind körperlich und fragen es danach, ob es sie noch liebe. Das Kind hasst jedoch, und das ist natürlich,  in dem Moment die Eltern. Es sieht sich aber zu einer Lüge, zu einer Identitätsaufgabe gezwungen, um deren Liebe und die Liebe Gottes nicht zu verlieren. Es steht in einem doppelten Abhängigkeitsverhältnis und befürchtet zweierlei: Den Verlust der Liebe der Eltern, wenn es ihnen gegenüber den empfundenen Hass äußern würde, und den Verlust der Liebe Gottes, der im 5. Gebot uns allen Kindern die Ehrung unserer Eltern abverlangt. Deren Verlust kann ein Kind schon verschmerzen. Es gibt genügend Adoptiveltern. Auch dürfen Eltern das Kind nicht foltern.

 

Der Verlust der Liebe Gottes endet aber nach dem heutigen Dogma in der ewigen Folter- Hölle, aus der es kein Entrinnen gibt. Bischof N Schneider schreibt als Chef der EKD, gewisse Sünder kämen nach einem Richterspruch Jesu in dessen ewiges Feuer. Das ist Mittelalter. Das Kind kann die Situation nicht verlassen. Es ist so schwer, schwerer als  existentiell bedroht, dass sich eine schwere Erkrankung entwickelt kann. Das Über-Ich zementiert sich also durch die Unmöglichkeit einer Gegenwehr eines Kindes. Kleriker wie Ex-Bischöfin M. Käßmann wissen, Kinder werden durch das christliche Gottesbild über ungeheure „tief existentielle Ängste“ sehr und krank. Das ergab eine Studie in die etwa 10000 Kinder eingeschlossen waren (1).

 

Die Doppelbindungstheorie betrachtet zwei Ebenen: Die weltlichen Erzieher und das abhängige Kind. Als übergeordnete dritte Ebene erkenne ich den persönlichen Gott, dem  sich auch die dominanten Sender der Doppelbindungs-Botschaft in jeder ihrer Handlungen verpflichtet fühlen. Das Schlagen, also das Anwenden von Gewalt einem Kind gegenüber, könnte ja der Christengott, der durchgehende Nächstenliebe verlangt, als Sünde werten. Außerdem ist es verboten.

 

Das  einer solchen Situation ausgesetzte Kind kann aufgrund einer rigiden und dazu noch transzendental überhöhten Abweichungsintoleranz seine ursprüngliche Identität nicht aufrechterhalten. Seine  Angst vor Bestrafung, Liebesentzug und ewiger Folter schafft die Grundlage, seine Identität letztlich ganz aufzugeben. Das beschreibt Alice Miller in „Das Drama des begabten Kindes“. Das geschieht speziell deshalb,  weil der Zwang dazu in gewissen Familien  täglich von neuem stattfindet. Kindliche und damit selbstverständlich aufkommende Gefühle wie Hass, Ärger, Wut und sogar Todeswünsche in Richtung der eigenen Eltern werden ebenso nicht zugelassen wie „egoistische“ Wünsche oder gar Forderungen von Kindesseite. Beispiele: „Ich will jetzt ein Eis!“ oder gar ein „Ich will jetzt mit Anna Doktor spielen, und das ausführlich, nackt -  und natürlich ohne Euch.“ Dass die Eltern Onanie ablehnen, weiß das Kind, ohne zu fragen. Es war auch das Problem des Kindes Hermann Hesse.

Das Kind lernt nun eine Verrücktheit: Außer Liebe zu zeigen und zu geben, sind nahezu alle Gefühle schlecht, böse und damit auch automatisch Sünden. Es entwickelt sich Angst vor Gefühlen, Angst vor verbotener Sexualität, wie sie auch bei den eigenen Eltern meist schon vorhanden ist. Es lebt sich besser, so der entstehende Trugschluss,  wenn man seine Gefühle nicht zulässt, also gefühllos wird und Gefühlen nicht traut. Am besten, man beschäftigt sich mit Sachen, statt mit Menschen, zumal man sich an Sachen nicht versündigen kann.  Es gibt sie halt schon, die autistogene oder schizophrenogene Mutter. Doch sie ist an ihrem So - Sein nicht schuld. Auch sie hatte eine ähnlich konstruierte Mutter und Großmutter. Schon die war, was Auflehnung gegen das Über-Ich anging, in der Falle einer Looser-Situation, was sowohl das Eltern-Überich, als auch das Gott-Überich anging.

 

Gefühllos zu sein „gelingt“ vielen autistischen Kindern in ihrer kindlichen Angst-Psychose. Sie ignorieren sogar den Schmerz einer Verbrennung. Es kommt zu diversen Verletzungen, da sie auch lernen, Ängste zu ignorieren, z. B. die Angst vor einer heißen Herdplatte. Denn eine Gottangst, also die Angst vor ewigem Feuer, muss auch umgehend verdrängt werden. Sie ist zu furchtbar. Und sie wird verdrängt. In unserer Gesellschaft äußert kaum jemand  eine Angst vor einer Hölle, die ihm bekannt wäre, die er zugeben würde, die er also im Bewusstsein trüge. Doch die permanente Reklame der Kirchen mit ihrer Hölle ist nicht herausgeworfenes Geld. Das Höllenpredigen sei ein „Geschäft“ seiner Kirche, so Bischof Nikolaus Schneider (Der Spiegel 43,2014). Es ist ein schizophrenogenes, ein autistogenes Geschäft, das mit Terror arbeitet. Tiefenpsychologisch ist man aus Angst Mitglied der Kirche, nicht etwa aus Liebe zu ihr und ihrem Gott, dem Täter des ersten Holocausts, der Sintflut.  Doch auch die Liebe Gottes wird zur klerikalen Reklame: Erntedank. Europäischen Familien liefert der Christengott  dreimal täglich das Essen persönlich. „Herr, wir danken dir. Sei du unser Gast.“ An Afrika denkt der liebe Gott nicht immer.

Doch zurück zum eigentlichen Thema. Die Gefühlswelt des Kindes wird nicht nur gebrochen, es ist ihm sogar untersagt, sich  als Opfer wahrnehmen oder zu bezeichnen. Es hat auch nicht den Spielraum, in einer sog. Metakommunikation, einer offenen Diskussion also, die Eltern oder gar seinen Gott als Täter zu identifizieren. Gottkritik ist ein absolutes No-Go in religiösen Familien. Die Eltern wollen ja nach eigenem Bekunden immer nur das Beste. Wie soll man als Kind die Paradoxie einer derartigen  Familienkommunikation entlarven?  Und Gott steht wegen Nichtexistenz doch nur sehr begrenzt zum verbalen Austausch zur Verfügung. Doch es soll Personen geben, die Zwiesprache mit ihm halten. Innerhalb pathologisch-christlicher Familienstrukturen scheuen sich die Mitglieder oft, sich zu verletzen. Sie packen sich in Watte und kehren die familiären Probleme unter den Teppich. Doch die Aggressionen wachsen gerade dadurch unterschwellig immer weiter an. Es gibt zunächst kein Ventil.

 

Wenn jedoch Aggressionen in Familienstrukturen nicht zugelassen werden oder vorkommen, und gar unter Strafe gestellt werden, brechen sie irgendwann in Form körperlicher oder psychischer Gewalt beim Kind hervor. Irgendwo sind Schizophrene Kämpfertypen. Das Kind kann „schwer erziehbar“ werden, wie Hermann Hesse es war,  und  Eltern oder Kameraden körperlich verletzen. Oder es beschimpft oder verflucht sie oder sogar seinen Gott und selbst den berühmten Heiligen Geist. Na und, möchte ich sagen. Das ist kein Verbrechen. Es ist juristisch keine Schuld. Das Kind ist als Kind unschuldig. Anders die Amtskirchen: Sie  stufen einen solchen Kinder-Fluch als Großsünde, ja als Todsünde ein, die nie vergeben wird. Eine schizophrene Patientin schreibt mir, ihre „Sünde wider den Heiligen Geist“, die sie als Kind in einer Kirchenbank begangen und später gebeichtet hatte, sei ihr klerikal nicht vergeben worden. Dieses Verbrechen der Kirche an ihr überschattete ihr späteres Leben. Die sich entwickelnde ständige Maximalangst brodelt wie ein „Vulkan“ (Diktion Hölderlin) und würfelt die Neurotransmitter durcheinander. Es kommt zu Halluzinationen im Wachzustand, wie sie auch im LSD-Rausch durch eine exogene Vergiftung entstehen. Dort, in der „selbstgemachten“ chemischen Vergiftung, wird das unbewusste, in das Kind gepresste sadistische Über-Ich  aktiv und beschimpft in akustischer Halluzination das „sündige“  Ich in übelster und quälender Art und Weise.

 

Auch kann ein angstbedingter masochistischer Buss- und Bet-zwang als echter Zwang entstehen. Der Zweck:  Besänftigung des überstrengen Gott-Ichs. Doch der Himmel ist leer. Da ist niemand, irgendwelche Opfer anzunehmen. So brannte sich Ödipus die Augen umsonst aus. Er opferte sie als „Sünder“ einem, wie wir heute wissen,  nicht existenten Zeus im Austausch zu ewigen Tartaros-Qualen. Jedes Gottesopfer ist ein Deal mit einem Gott. Und doch: Opfern hilft. Auch Beten hilft, selbst wenn kein Gott da ist. Ohne sein Augenlicht, er hatte sich die Augen masochistisch als Opfer ausgebrannt,  ging es Ödipus psychisch deutlich besser. Er war durch eine masochistische Tat von seinen Ängsten geheilt. Ja er bekam Küsschen von den Rachegöttinnen des Zeus, die sonst die Sünder foltern.

Die Art der Familienkommunikation in schizophrenen Familien ist sowohl ein Symptom als auch irgendwo eine Mit-Ursache, eine indirekte Ursache der Psychosen. Die eigentliche, unmittelbare Ursache ist jedoch regelmäßig transzendentale Angst: Höllenangst. Der Verursacher ist der Klerus. Der, der Chef der Hölle sein soll, ist tot. Jesus sei nicht existent, so die Staatsanwaltschaften Hannover und Freiburg im Br. Er steht den Amtskirchen nicht mehr als Folterer zur Verfügung.

Hier im Anschluss ein mir selbst berichtetes Beispiel einer „transzendentalen“ Kommunikation, die ja in Ermangelung der Götter nie wirklich transzendental ist. Eine Mutter geht in einen Bücherladen und sagt ihren beiden größeren Kindern, sie sollen draußen auf das Kleine aufpassen. Sie passen aber nicht auf. Das Kleine ist plötzlich verschwunden. Die Mutter ist entsetzt: Sie straft nicht selbst, sondern spricht den Satz aus: „Der liebe Gott wird euch strafen“. Das tut sie  getreu dem Dogma, dass man die Rache, die Strafe,  Gott zu überlassen habe (5.Mose 32:35). Da Kindern bekannt gemacht wird, wie brutal der „liebe Gott“ zu strafen pflegt, entwickelt sich übergroße Angst, die später in psychische Erkrankungen führt. Diese Geschichte zeigt uns zweierlei. Die Mutter bleibt in ihrer Eigensicht „lieb“, da sie nicht selbst straft. Sie überlässt, lieb wie sie ist,  einem lieben Gott die Strafe. Zum anderen entlarvt sich hier die allsonntägliche Double-bind-Technik der zugegeben hochintelligenten Kirchen. Gegen einen „lieben“ Gott kann niemand, auch kein Kind, wirklich etwas haben. Jede Kritik wird unterbunden, da der Christengott auch noch allgerecht sein soll. Doch das Kind weiß: Der Gott der Bibel ist nicht lieb. Wie kann jemand, der den ersten Holocaust an Juden, die Sintflut verbrochen hat, lieb sein? Wie kann jemand gerecht sein, der einen Holocaust hinlegt und damit zum Lehrmeister Hitlers wurde? Kein wirklicher Gott treibt die Menschen über Ängste in eine Schizophrenie. Es sind die Religionen. Und die sind menschgemacht.  

   

 

 1.Käßmann: „Wie ist es so im Himmel?“