Der Fluch der Neuroleptika          von Frank Sacco

 

  

Müller sagt im Vorwort:

Die „christlichen“ Kirchen als Verursacher der Krankheiten von schizophrenen oder manischen Patienten – Frank Sacco, Doktor der Medizin, zweifelt am „Segen“ der Neuroleptika. Damit kehrt nur eine trügerische Ruhe ein, aber die begleitende Depression wird eher schlimmer. Letztlich geht es wieder um den Ödipuskomplex (Bilder: Sacco).

 

Der Fluch der Neuroleptika  von Frank Sacco

 

Zugegeben: Da war was los, auf den psychiatrischen Stationen, vor der Entwicklung dämpfender Neuroleptika. Da wurde geschrien, getobt, da war man aggressiv. Zu sich und zu anderen. Doch die Bürger und Ärzte kannten es nicht anders. Man konnte (und musste) es aushalten.

Der Vorteil allerdings war: Man konnte die Probleme des Patienten noch erkennen, sprach ja das Unbewusste direkt aus den Äußerungen dieser schizophrenen oder manischen Patienten. Sie waren zunächst offene Bücher, bevor der Wahn, dieser oft rettende Freund, dieser Selbstheilungsversuch, sich zu fest etablieren konnte.  So war es Nietzsche bereits nach einem „flüchtigen Gang“ über die Flure einer solchen Anstalt eindeutig, wer die dortigen Krankheiten verursacht hatte: Die „christlichen“ Kirchen. Denn mit deren unchristlichem Dogma einer möglichen ewigen Folter kommt kein Kind zurecht. Wie auch. Gott oder sonst jemand zeige mir einen psychisch gesunden Menschen.

Dann kam der „Segen“ der Neuroleptika, der aber an sich ein Fluch war – der ein Fluch ist. Es kehrte eine trügerische Ruhe ein. Die schweren Nebenwirkungen nahmen die Therapeuten zuerst schweren, heute aber immer leichteren Herzens in Kauf. Man erkennt auch als Laie die Ruhiggestellten: Ihr Gang ist schleppend, der Körper ist starr, Kopf und  Blick gehen starr nach vorne. Das Gesicht wirkt aufgedunsen durch den Verlust einer normalen Mimik. Man spricht vom Salbengesicht. Gut: Die Umwelt fühlt sich besser. Schlecht: Der Erkrankte jedoch nicht. Denn die begleitende Depression wird eher schlimmer. Spontane Äußerungen des Behandelten werden selten. Ein Gespräch läuft monoton ab. Die Artikulation ist oft lallend und fällt schwer. Ja nicht nur die Motorik,  auch der Gedankengang ist gehemmt. Die Therapie geht über Jahre, ja oft über ein ganzes Leben. Überall besteht Angst vor einer Dosisreduktion. An eine Teilhabe am Arbeitsleben ist nicht zu denken.

 

Gespräche mit dem Arzt: Ja! Doch die kreisen über die Jahre hinweg überwiegend um die Wirkung und Nebenwirkungen der persönlichkeitsverändernden Neuroleptika. Deren „Wichtigkeit“ wird von der Pharmaindustrie über von ihr finanzierte und organisierte Fortbildungen ganz in den Vordergrund gerückt. Man fällt als Therapeut darauf rein. So wird über die psychische Ursache der Erkrankungen nicht mehr gesprochen. Ja man „überweist“ die Klienten in dem Moment zum verursachenden Klerus, wenn das Thema auf die Ursache zu sprechen kommt: Auf Schuldgefühle, die vom Klerus zu  Sündengefühlen hochstilisiert sind. Die sind  verbunden mit einer unendlichen Angst vor unendlichen jenseitigen Strafen. Die übe ein gewalttätiger und / oder verrückter „Gott“ aus. Dessen eindeutige Pathologie bekommt man schon als Kind in Gehirnwäsche wie ein Brandmal aufgedrückt. So legte dieser „Gott“ ja nach offizieller Lehre mit der Sintflut den ersten Holocaust an Juden hin. Und diese Endlösung  soll angeblich völlig gerecht gewesen sein, so die Geistlichkeit. Dieser „Gott“ ist seitdem das geistige Vorbild aller irdischen Despoten: Seine Folter wird bejubelt. Hallelujah.

 

 

So konnte es aber geschehen, dass durch Neuroleptika auch die Psychiater Schaden nahmen: Man verdummte – doch das nur zu gerne.  Da man auch selbst einmal als Psychiater Kind war, hat man dieselben, meist unbewussten Jenseitsängste wie seine Patienten. Nur sieht die Selbsttherapie hier anders aus: Man wurde Arzt und meint, man habe so als Helfer beim Arzt und Helfer Bibel-Jesus vorteilhaft gepunktet. Bei einem sog. „Jüngsten Gericht“.  Das soll einer sog. „Auferstehung“ nachfolgen. Ohne Auferstehung keine jenseitige Folter. So wird hier Helfen zum Zwang. Es entsteht die Zwangskrankheit des hilflosen Therapeuten. Dieser Zwang trägt religiös bedingte masochistische Züge, wie wir sie von Ödipus bereits kennen. Der stach sich aus panischer Angst vor angeblich vorhandenen  Rachegöttinnen beide Augen aus. Er opferte Zeus (den es nicht einmal gab) die Augen. Die „Sünde“ des Ödipus: Inzest. Beim Psychiater sind Überforderung und ein Burnout die Folgen des Zwanges. Das mit den Augen ausbrennen ist ja zurzeit völlig aus der Mode. Das Helfersyndrom ist geboren. Es ist dies eine Alternative zur Psychose, zur Depression, zum Suizid oder zum Substanzmissbrauch. Dem unterliegt ein Großteil unserer Psycho-Helfer. Doch jede Alternative ist besser als eine Angst vor ewigem Feuer.

 

Diese Zusammenhänge kann und will die Psychiatrie nicht wahrnehmen. Ja sie erkennt nicht einmal die Grundlage des Ödipuskomplexes.  Dem liegt nicht etwa ein Vater-Sohn Konflikt, sondern ein klassischer Gläubiger-Gott Konflikt zugrunde. Schon Freud konnte das aufgrund einer eigenen Angstneurose nicht erkennen. Ich schrieb ein Buch darüber: „Die Neurose Sigmund Freunds als Kollektivneurose“, erschienen bei BoD. Die „Sünde“ Sigmund Freuds: Ein Mord. Ein Doppelmord.