Auch der Patient mit einem später auftretenden Asperger-Syndrom oder einer Schizophrenie errichtet sich lieber eine eigene, eine etwas erträglichere Welt. Seine Wahnwelt ist weniger grausam als die von den Kirchen behauptete Realität Hölle. Malt ein Schizophrener die Sintflut oder die Kreuzigung, werden diese menschlichen Katastrophen in der Regel verniedlicht dargestellt. Autismus und Schizophrenie sind Fluchten vor nicht Auszuhaltendem und wie die Zwillingsforschung zeigt, nicht vererbt. Es werden nicht regelhaft beide eineiigen Zwillinge autistisch krank. Die Konkordanz liege sogar unter 50 %. Vererbt werden nur die Intelligenz, die Sensibilität und erhöhte Angstbereitschaft als Voraussetzungen für eine seelische Erkrankung. Durch eingeredete Höllenangst resultieren Angstkrankheiten: Depressionen, Süchte (Alkohol, Rauchen, Drogen, Adipositas, Anorexie) ebenso wie ADS und mannigfache psychosomatische Störungen. Die offizielle Androhung ewiger Folter Kindern gegenüber kann einfach nicht ohne Schäden bleiben. Das sagt uns der gesunde Verstand. Und doch gibt es Menschen, die dies leugnen bzw. leugnen müssen. So meint Prof. Diefenbacher, Chefarzt in Berlin, die Androhung ewiger Hölle könne kein Trauma sein. Die Geschädigten und deren Angehörige müssen sich nun einfach einmal outen und äußern. Die Staatsanwaltschaften müssen die für sie neue Erkenntnis erlangen, dass es Opfer seelischer Kirchengewalt gibt. Eltern, Verwandte und Bekannte sollten Kirchenopfer melden – weil Ärzte es nicht tun.
Eigenartiges lesen wir in Erika Sonnenbergs „Immer diese Schuldgefühle“, Johannis. Die Autorin ist gläubige Therapeutin. Sie weiß, wie schlimm Schuldgefühle sind, wie sehr sie krank machen. Echte Schuldgefühle würden aus dem „göttlichen Urteil“ kommen. Ablehnung führe bei Kindern zur Selbstablehnung und zu Minderwertigkeitsgefühlen. Sie sollten glauben, dass Gott sie bedingungslos liebe, sie annehme und ihnen vergebe, dann könnten sie ihn auch lieben. Dann zitiert sie aber unseren Kindern Bibel-Jesus in Matthäus 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht würdig.“ Und 1. Johannes 1,9: „Wenn wir unsere Sünden bekennen“, dann sei Gott treu und gerecht. Der Gott der Bibel knüpft wie keine andere Über-Ich-Person seine Liebe an –zigtausende, gar nicht einzuhaltende Bedingungen. Liebesentzug ist seine Spezialität. Die Autorin sollte auch Textstellen wie 2 Thess.1, 7-9 nicht ignorieren. Ewige „Feuerflammen“ als „Rache“ kündigt dieser Gott unseren Kindern an, wenn man ihn nicht anerkenne. Damit ist er für sie unberechenbar und Schuld am Kardinalsymptom unserer Autisten und Borderline-Patienten: Sie vertrauen der Liebe nicht - dieser Liebe nicht. Der Gott unserer Kirchen ist unseren Kindern unberechenbar.
Thomas A. Harris beschreibt in "Ich bin o.k., du bist o.k., rororo, das blockierte Erwachsenen-Ich des Psychotikers, des Schizophrenen. Ein Patient hatte keinen Kontakt mit der Realität. Er sang kirchliche Choräle und äußerte zeitgleich Obszönitäten. Er schwankte zwischen "Erlösung und Verdammung", wie Harris schreibt, also zwischen Paradies und Hölle. Der erste Schritt bei der Behandlung des Schizophrenen sei eine Reduzierung dieser Angstgefühle, so der Autor. Die Psychiatrie scheitert jedoch heute an dieser Angstreduktion, da sie aufgrund eigener Neurose Hölle nicht thematisieren kann und die Patienten zwecks „Therapie“ zur Kirche abschiebt. Dort stellt man die schreckliche Diagnose "vom Teufel besessen" und potenziert damit noch einmal die Höllenangst der Erkrankten.
Bezüglich der größten Menschangst ist man als Psychiater also im Sinne Freuds selbst psychotisch (realitätsentrückt). Man kann nicht objektiv denken und urteilen. Man ist nicht zu einer Gottkritik fähig und kann seinen eingeredeten Kindheits - "Gott" nicht be- und schon gar nicht verurteilen. Tiefenpsychologisch ist man dort aus eigener Gottangst heraus teilpsychotisch bzw. teilschizophren. Man kann seinen Gott nicht in das allgemeine Wertesystem einordnen und seine Handlungen nicht als Straftaten identifizieren. Man gestattet ihm sogar einen Holocaust, die globale Sintflut, und lässt sie als ethische Glanzleistung einer „höheren Ethik“, einer höheren Gerechtigkeit dahingestellt. "Wenn ein Psychiater Ihre Sachen liest, wird er verrückt", erklärte mir ein Psychiater. Es ist aber anders: Psychiater können meine Schriften wegen einer schon bestehenden Erkrankung nicht mit ihrem Erwachsenen-Ich lesen bzw. verarbeiten. Sie können ihren Kindheitsgott nicht objektiv beurteilen und verurteilen. Sie sind als Vertreter der „sprechenden“, aber doch so schweigsamen Medizin, aus Angst zu einem autistischen Schweigen verurteilt, zu einem Teil-Autismus, der erlebnisbedingt ist. Zu viele Geistliche seien in seiner Familie gewesen, so die Entschuldigung des oben zitierten Psychiaters.
Der Psychoanalytiker Dr. Albert Görres beschreibt in „Das Kreuz mit dem Glauben“ dieses krankhafte Stummsein auch der Patienten: Das Thema des Glaubens und der Religion sei tiefer tabuisiert und „von Prüderie verdeckt“ als die Sexualität. Die Hölle ist halt beides: Zu schrecklich und zu lächerlich, darüber zu diskutieren. Görres, im Grunde ein konservativer Christ, beschreibt die Strafe Gottes, ohne den Mut, Hölle als Vokabel zu nennen: „Eine Welt ohne gerechte Vergeltung von Gut und Böse bliebe absurd“, meint er. Lieber aber eine absurde Welt als eine noch absurdere ewige Folterhölle.
Theoretisch denkbar ist auch diese Alternative: Man kann auch aus Hassgefühlen heraus fundamentalistisch für die Hölle sein. Man hasst diejenigen, die sich nicht einschränkend bzw. sogar asketisch zurücknehmen. Man beneidet sie, die ohne Gottangst leben und genießen können. Man wünscht ihnen als Ausgleich die Hölle.
Hermann Hesse: „Wenn ich alle die Gefühle und ihren qualvollen Widerstreit auf ein Grundgefühl zurückführen... sollte, so wüsste ich kein anderes Wort als: Angst.“ Was ist Weisheit? „Man verherrlicht nicht mehr und verurteilt auch nicht mehr.“ (Rilke).